Antifeminismus - eine unterschätzte Gefahr!

Organisierter Antifeminismus im Kampf gegen Gleichstellung und Vielfalt

Antifeminismus ist kein neues Phänomen – es gibt ihn, seit es Feminismus gibt. Vorwürfe, dass Feminismus Frauen ehe- und kinderlos machen würde oder auch die Befürchtung einer „Femokratie“, also die Vorstellung einer politischen und gesellschaftlichen Übermacht feministischer Ideen und Gedanken, begleiten Frauenbewegungen und feministische Kämpfe durch ihre Geschichte. Manche Anliegen, wie beispielsweise die Verhinderung des Wahlrechts für Frauen, sind über die Zeit unpopulärer geworden, andere überdauern die Jahrzehnte und wieder andere kommen neu hinzu. So wie sich feministische Ziele und Forderungen im Laufe der Zeit verändern, so anpassungsfähig äußern sich ihre GegnerInnen.

 

Angriffe auf Konzepte und Lebensformen, die eine biologisch festgeschriebene und somit vermeintlich natürliche Zweigeschlechtlichkeit in Frage stellen, sind dabei verbindendes Element. Antifeministische Bewegungen zielen auf das Zurückdrängen bisheriger und dem Verhindern zukünftiger gesellschaftlicher Errungenschaften, wie die Gleichstellung von Frauen oder die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Um Antifeminismus wirksam begegnen zu können, muss er zuallererst in seinen vielfältigen Formen erkannt und ein Bewusstsein für sein Wirken geschaffen werden.

 

 

Antifeminismus bedeutet, feministische Anliegen und Positionen pauschal, aktiv und oft organisiert zu bekämpfen oder zurückzuweisen, sei es als Individuum in Internet-Diskussionen, sei es in Parteien oder anderen Gruppierungen.“

(Quelle: Gender-Mediathek des Gunda-Werner-Institut)

Da Antifeminismus auf der Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit aufbaut und keine weiteren Geschlechter zulässt, verwenden wir für AkteuerInnen aus diesem Spektrum die binäre Schreibweise mit Binnen-I.

 

 

Antifeminismus kann als Gegenbewegung zu emanzipatorischen Gesellschaftsveränderungen beschrieben werden und zugleich als eigenständige Ideologie.

 

So war Anfang des 20. Jahrhunderts die Verhinderung des Frauenwahlrechts ein zentraler Punkt antifeministischer Mobilisierungen. Anders als dieses Kampffeld sind Themen rund um sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen und/oder die Anerkennung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt nach wie vor aktuell in antifeministischen Erzählungen. Kurz: Antifeminismus greift auf der politischen und strukturellen Ebene Prozesse der Gleichstellung und Liberalisierung im Bereich von Geschlechterverhältnissen an und versucht diese aufzuhalten und/oder zurückzudrängen.

 

Eine antifeministische Ideologie wirkt gemeinschaftsstiftend und tritt häufig in organisierten Kollektiven/ Gruppen auf. In der Regel liegt Antifeminismus ein antimodernes Weltbild und ein (hetero)sexistisches auf Zweigeschlechtlichkeit aufbauendes Geschlechterbild zugrunde. Er hängt eng mit anderen Ungleichheitsideologien wie Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Antisemitismus zusammen. (1)

 

 

Verweise

 

  • (1) Blum, Rebekka (2019): Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus. Hamburg: Marta Press.

 

Grafik: Netzwerk feministische Perspektiven & Interventionen gegen die (extreme) Rechte

Antifeministische Vorstellungen bauen immer auf (hetero)sexistischem Denken auf, dennoch beschreiben Sexismus und Antifeminismus nicht exakt das Gleiche.

 

Sexismus umfasst sowohl individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen als auch institutionelle und kulturelle Praktiken, bei denen Personen aufgrund ihres (zugeschriebenen) Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, abgewertet oder benachteiligt werden (1). Sexismus stellt eine Diskriminierungsform beziehungsweise Diskriminierungspraxis dar (2), welche die Personen direkt durch konkrete Handlungen treffen oder sich auf struktureller Ebene wie beispielsweise die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern auswirken kann.

 

Antifeminismus hingegen kann als eine Weltanschauung verstanden werden, die eine Gegenposition zu modernen, liberalen und vielfältigen Geschlechterverhältnissen einnimmt. Dabei will Antifeminismus ein klassisches Familien- und Geschlechterbild als vorherrschend durchsetzen und verteidigen (3). Er richtet sich gegen Strukturen und strukturelle Veränderungen sowie gegen Personen, die stellvertretend für diese Prozesse stehen.

 

Antifeminismus ist die gezielte und politisierte Umsetzung sexistischer Vorstellungen. Sexismus ist daher immer auch Bestandteil von antifeministischen Denkweisen, doch: nicht jede sexistische Verhaltensweise ist zwangsläufig eine antifeministische.

Ein plakatives Beispiel zur Verdeutlichung der Unterschiede von Sexismus und Antifeminismus

 

Eine Person beobachtet, wie ein Auto eingeparkt wird und meint: „Da sitzt sicher ne Frau drin, ein Mann hätte das in der Hälfte der Zeit geschafft!“. Diese Aussage kann als sexistische Verhaltensweise bewertet und kritisiert werden. Sie ist jedoch nicht per se als antifeministisch einzuordnen.

 

Dies sieht jedoch anders aus, wenn die Person aus diesem sexistischen Denkmuster heraus sagt: „Frauen gehört der Führerschein entzogen! Und überhaupt, der Feminismus ist schuld, hat er die Frauen doch erst auf die unsinnige Idee gebracht, sich hinters Steuer setzen zu wollen!“. Sowohl die eine als auch die andere Aussage greift Prozesse der gesetzlichen und strukturellen Gleichberechtigung von Frauen und Männer an und stellt sich gegen (erreichte) Emanzipationsbestrebungen.

 

Ein weiteres Beispiel für die Unterschiede von sexistischen und antifeministischen Aussagen:

 

Die Aussage: „Männer sind für manche Berufe einfach besser geeignet als Frauen“ zeugt von einem konservativen Geschlechterbild und einem Denken in sexistischen Stereotypen.

 

Antifeministisch formuliert könnte die Aussage in etwa so lauten: „Die Quote sorgt dafür, dass Frauen in Männerdomänen vordringen und besser qualifizierten Männern die Jobs wegnehmen“ oder auch „Feminismus verleitet Frauen dazu sich in männliche Berufsfelder zu drängen“.

Auf der Handlungsebene könnte dies die Organisation einer Demonstration oder einer Kampagne gegen Frauen beispielsweise im Handwerk nach sich ziehen.

Auch in diesen vereinfachten Beispielen ist die Unschärfe der Begrifflichkeiten (Sexismus und Antifeminismus) sichtbar. Die wiederholte Konfrontation mit sexistischen Stereotypen und somit mit negativen Reaktionen und Bemerkungen kann beispielsweise dazu führen, dass Frauen auch ohne ein gesetzliches Fahrverbot vermeiden Auto zu fahren.

 

Zusammenfassend: Antifeminismus ist als eigenständige Ideologie und Sexismus als ein grundlegender Teil darin zu fassen, aber nicht mit diesem gleichzusetzen. Durch die Verwobenheit der Begrifflichkeiten entstehen fließende Grenzen und eine klare und eindeutige begriffliche Trennung ist häufig schwierig.

 

 

Verweise

Antifeministische Aktivitäten können sich sowohl in parlamentarischen Bestrebungen, beispielsweise in der Förderung oder Verhinderungen von Gesetzen, als auch in einem Shitstorm gegen feministische Politiker:innen und Aktivist:innen im digitalen Raum ausdrücken. Auch Demonstrationen gegen Schwangerschaftsabbrüche oder das Abfangen von Schwangeren vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, sogenannte Gehsteigbelästigungen, stellen antifeministische Vorgehensweisen dar.

 

Antifeministische Angriffe finden häufig in organisierter Form und zielgerichtet statt. Sie können von Netzwerken, Gruppierungen, Parteien oder Einzelpersonen ausgehen und sind politisch motiviert. Die Angriffe zielen häufig auf Strukturen beziehungsweise stellvertretend auf die im Arbeitsfeld tätigen Personen ab wie beispielsweise Mitarbeitende von Gleichstellungsstellen in Städten, Kommunen oder Verbänden. Mit ihrer Tätigkeit stehen sie für eine strukturelle Veränderung hin zu mehr Gleichberechtigung und sind damit qua Beruf ein Angriffsziel von antifeministischen Personen und Gruppen.

 

Reformen und Bestrebungen, die sich für mehr Gleichberechtigung und Vielfalt aussprechen, werden von antifeministischer Seite aus kategorisch abgelehnt und Vertreter:innen dieser Standpunkte angegriffen. So sind Institutionen und Organisationen, die die Interessen von Frauen vertreten, wie etwa Frauenberatungsstellen oder Frauenhäuser, ebenso Ziele wie Beratungsstellen im Bereich geschlechtlicher und sexueller Vielfalt.

 

Trans, inter und nicht-binäre Personen erleben an vielen Stellen die ganze Härte einer antifeministischen Ideologie. Menschen, die sich außerhalb einer binären Geschlechterlogik verorten oder nicht heterosexuell l(i)eben, passen nicht in das konservative Denk-Schema von organisierten AntifeministInnen. So sind es gerade queere Personen, die von antifeministischen Anfeindungen direkt oder strukturell betroffen sind, wie jüngste Diskussionen um das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz zeigen.

 

Auch Professor:innen im Bereich der Geschlechterforschung/Gender Studies oder Personen, die öffentlich zu feministischen Anliegen sprechen, wie Politiker:innen, feministisch Aktive oder Journalist:innen, geraten ins Visier von antifeministischen AkteurInnen.

Nach rechten Terroranschlägen wie beispielsweise in Halle, Christchurch oder Oslo und Utøya wurde Antifeminismus öffentlich stärker diskutiert. Bei den Terrorakten  wurde Antifeminismus neben Rassismus und Antisemitismus als (Mit-)Motiv der Täter sichtbar.  Dieser ideologische Dreiklang (Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus) verbindet sich in Verschwörungserzählungen und forderte bereits unzählige Menschenleben.

 

Doch wie verbinden sich die drei Ideologien? Extrem rechte Attentäter geben „dem“ Feminismus die Schuld an einem angeblichen Geburtenrückgang in westlichen Gesellschaften. Denn der Feminismus verleite Frauen zu Ehe- und Kinderlosigkeit. Er würde somit das von rechter Seite aus erdachte Bedrohungsszenario eines „Bevölkerungsaustausches“ verwirklichen. Hierbei handelte es sich neben einer antifeministischen auch um eine rassistische und antisemitische Erzählung. Doch es sind nicht nur extrem rechte Attentäter, die das Feindbild Feminismus leitet.

 

Es sind ebenso christlich-fundamentalistische Kräfte, die gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch mobilisieren; MaskulinistInnen, die Männer als die eigentlich Benachteiligten sehen; selbsternannte Flirt-Coaches, die Erfolg (bei Frauen) durch  deren Unterdrückung versprechen und dabei eine hyperdominante Männlichkeit propagieren. Gegensätzlich dazu sind Frauen auf Social Media präsent, welche sich als Ehe- und Hausfrau in einer Imagination der 50er Jahre präsentieren und so eine unterwürfige Weiblichkeit bewerben.

 

In ihren Ausprägungen sind diese AkteurInnen zwar unterschiedlich, doch ihre politische GegnerInnenschaft zu emanzipatorischen Bestrebungen verbindet sie. Antifeminismus bildet hier eine Scharnierfunktion (1) zwischen verschiedenen Akteursgruppen und ist zugleich Türöffner (2) in weitere Ideologien der Ungleichwertigkeit hinein. Über antifeministische Erzählungen soll zudem der Weg für rechte und reaktionäre Inhalte in weitere gesellschaftliche Debatten geebnet und anschlussfähig gemacht werden.

 

So erhebt die Leipziger Autoritarismus-Studie im Jahr 2020 zum ersten Mal antifeministische Einstellungsmuster in der Bevölkerung. Rund ein Fünftel der Befragten zeigten sich demnach als überzeugt antifeministisch. Über ein Drittel der Befragten stimmten mindestens einer antifeministischen Aussage zu (3). Zwei Jahre später stellten die Wissenschaftler:innen zunehmende antifeministische Einstellungen fest (4).

Kurz: Antifeministische Einstellungen und Denkweisen haben weitreichende Folgen. Ihre systematischen Angriffe gegen Gleichstellungsprozesse und gegen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt widersprechen einem liberalen Demokratieverständnis und behindern den Weg zu einer gleichberechtigte(re)n Gesellschaft.

Verweise

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