Lachen und glücklich sein – auch beim zweiten „Marsch für das Leben“ in Köln nicht immer so einfach

Am 21. September rief der Bundesverband Lebensrecht, kurz BVL, erneut zu den sogenannten „Märschen für das Leben“ in Berlin und Köln auf die Straße. Zum Bericht aus Köln...

 

Bericht

 

Lachen und glücklich sein – auch beim zweiten „Marsch für das Leben“ in Köln nicht immer so einfach

 

Am 21. September rief der Bundesverband Lebensrecht, kurz BVL, erneut zu den sogenannten „Märschen für das Leben“ in Berlin und Köln auf die Straße. Rund 2.000 Menschen folgten dem Aufruf. Die Teilnehmendenzahl blieb somit hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück.

 

Im BVL finden sich verschiedene Organisationen zusammen, die sich zu der sogenannten „Lebensschutzbewegung“ (Pro-Life) zählen. Für Pro-Life AktivistInnen* beginnt das Leben bereits mit der Zeugung. Schwangerschaftsabbrüche werden von ihnen als „Tötungen“ bezeichnet und strikt abgelehnt. Darüber hinaus wird eine Retraditionalisierung der Geschlechter- und Familienverhältnisse angestrebt. Der Dachverband setzt sich zudem gegen Praktiken der Sterbehilfe, Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik ein.

 

Im vergangenen Jahr verhinderten Gegenproteste das Weiterkommen des Demonstrationszuges massiv und die Teilnehmenden der Pro-Life Veranstaltung standen vor allem auf der Stelle. Dem Misserfolg des letzten Jahres verliehen die Veranstalter eine positive Deutung und so wurden auf Social Media vor allem Bilder mit jungen tanzenden Menschen, die Spaß hatten, verbreitet. An diese Erzählung wollte die Pro-Life Bewegung auch in diesem Jahr anknüpfen und so erinnerte die Moderatorin die Teilnehmenden immer wieder zu strahlen, glücklich zu sein und freundlich zu lachen. Das Leben feiern – nur nicht allzu selbstbestimmt. Bei der guten Stimmung rutschte doch glatt ein Popsong der Sängerin Taylor Swift in die Playlist, die sich selbst als Pro-Choice positioniert und immer wieder für Gleichberechtigung stark macht. Die Stimmung wurde mit Kameras eingefangen und Teilnehmende interviewt. Gute Bilder zu kreieren, schien eines der Hauptziele der diesjährigen Veranstaltung zu sein.

 

Gerade auch junge Menschen sind Zielgruppe von Pro-Life Bewegungen und die Ansprache häufig recht hip und altersgerecht gestaltet. Die Stände der einzelnen Mitgliedsorganisationen des BVL boten daher neben poppigen Postkarten und „Informationsmaterial“ für alle Altersgruppen auch Plastik-Embryos und vegane Herz-Fruchtgummis angelehnt an einen gestoppten Herzschlag durch das Ende einer Schwangerschaft.

 

Doch neben tanzenden Jugendlichen und den BVL-Mitgliedsorganisationen fanden sich auch in diesem Jahr wieder AbtreibungsgegnerInnen jeder Colour zusammen. Zu sehen waren unter anderem christlich motivierte Einzelpersonen, Bischöfe, erzkatholische Gruppen und extrem rechte AkteurInnen. Neben den vorbereiteten Schildern und Bannern waren vereinzelt Deutschlandfahnen zu sehen. Dies führte zu Unmut einzelner Pro-Life Teilnehmenden, sei die Veranstaltung doch eine mit angestrebter internationaler Strahlkraft. Dies zeigt sich auch in dem geladenen Redner John Deighan. Er ist Geschäftsführer der britischen Society for the Protection of Unborn Children. Weiter hielt auch CDU-Bundestagsabgeordneter Hubert Hüppe eine Rede, in welcher er die steigende Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland betrauerte.

 

Auch die international aufgestellte TFP Students Action war mit Banner, Deutschlandfahne, Dudelsäcken und eigenem Kameramann auf der Veranstaltung vertreten. Der Einfluss der dahinterstehenden Interessenvertretung TFP (Tradition, Familie, Privateigentum) ist nicht zu unterschätzen. Es handelt es sich um eine reaktionäre, schwerreiche und rechtskatholische Organisation, welche offen für mittelalterliche Zustände kämpft – inklusive einer Vormachtstellung des Adels.

 

Unter den Teilnehmenden befand sich zudem der Sprecher der Kölner AfD Christer Cremer. Vorab stellt die Kölner AfD auf ihrer Website klar der „Marsch für das Leben ist willkommen“. Scheinbar als Privatperson vor Ort, nutzt der AfD-Politiker Cremer doch das offizielle X-Profil der AfD Köln, um von der Veranstaltung aus zu berichten. Auch Tobias Ebenberger, stellvertretender AfD-Bezirkssprecher Köln und Co-Kreissprecher der AfD Rhein-Sieg, war vor Ort.

 

Weiter nahmen Mitglieder von Burschenschaften, wie Jeremy Franosch (Mitglied der Burschenschaft Rhenania Salingia zu Düsseldorf und rechter Rapper), an der Veranstaltung teil.

Auch der selbsternannte Unternehmer der Akademie für das Leben – Studio Godesberg und ehemaliger BVL-Bundesvorsitzender Martin Lohmann ließ sich unter den Teilnehmenden finden. Er unterhält Verbindungen zur Alternative für Deutschland (AfD) und der rechtskonservativen Zeitung Jungen Freiheit sowie zur Werte Union.

 

Weiterführende Informationen zu Mitgliedsorganisationen des BVL, welche in Form von Ständen, Schildern und weiteren Merchandise-Artikeln vertreten waren, finden sich in unserem Artikel aus dem Jahr 2023. Hierzu zählen Aktion Lebensrecht für alle, kurz ALfA, ihre Jugendorganisation Jugend für das Leben, die Christdemokraten für das Leben (CDL), die Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren e.V. (KALEB), Sundays for life und die Stiftung ja zum Leben.

 

Insgesamt wird einmal mehr deutlich, dass Antifeminismus eine gesellschaftliche Scharnierfunktion zwischen christlichen FundamentalistInnen, Konservatismus und der extremen Rechten einnimmt. So können sich alle Teilnehmenden des Marsches darauf einigen, dass die reproduktive Selbstbestimmung eingeschränkt werden und demnach Schwangerschaftsabbrüche verboten sein sollten. Immer wieder wird das angestrebte klassische Familienbild aus „Vater-Mutter-Kind“ als Normalität betont. Neben dem Thema Schwangerschaftsabbruch ist auch eine queerfeindliche Haltung thematische Brücke zwischen den Teilnehmenden bis hin zu extrem rechten AkteurInnen – die Abgrenzung fehlt!

 

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde schon der „Marsch für das Leben“ 2025 angekündigt, welcher wieder in Berlin und Köln stattfinden soll. Ob die angestrebte Teilnehmendenzahl von 7.000 Personen hier erreicht wird, bleibt mit Blick auf dieses Jahr fraglich.

 

* Da rechte und antifeministische Vorstellungen auf einer binären Geschlechterlogik aufbauen und keine weiteren Geschlechter zulassen, werden AkteurInnen aus diesem Spektrum mit Binnen-I gegendert.